Diesmal hat er einen schwarzen Ledermantel aus den 70er Jahren an. Tailliert, ziemlich abgewetzt. Und wieder diese Plastikumhängtasche. Er muß noch etwas zum Essen kaufen. Er kauft ein Stück grausliche Wurst, schaut aus wie unsere Extrawurst, ist aber sehr viel schlechter. Und eine Flasche Wodka. Keine gute Gegend. Schlafsilo der schlechteren Art. Kolja wohnt in einer Einzimmerwohnung, der Wohnung seiner verstorbenen Mutter. Seine Zweizimmerwohnung hat ein Schüler von ihm verkauft.
- Was?
- Ja, der ist ein Bandit. Er hat meine Wohnung verkauft.
- Wie ist das möglich? Das gibt es doch gar nicht.
- Doch. Man hat mich entführt und zwölf Tage festgehalten und gedroht, meine Mutter umzubringen.
- Wer?
- Die Banditen. Haben Sie kein Magnetophon mit?
- Nein. Ich hab es vergessen.
- Schade. Da könnten Sie die Geschichte, die ich Ihnen erzähle, aufnehmen und eine Sendung daraus machen.
- Das nächste Mal. Aber ich bin Schriftstellerin und nicht Journalistin.
- Vielleicht kennen Sie jemanden beim Fernsehen, der sich dafür interessiert.
- Ich kann einmal fragen. Wie hat denn der Junge Ihre Wohnung
verkaufen können? Das versteh ich überhaupt nicht.
- Er ist eben ein Bandit, ein Krimineller. Er hat irgend etwas mit
Armeniern gedreht.
Das versteh ich nicht. Auf deutsch hätte ich das wahrscheinlich auch nicht verstanden. Der Vater dieses Jungen ist sehr bekannt und unendlich reich. Er kann mir aber nicht sagen, wer er ist.
- Warum können Sie mir das nicht sagen?
- Ich kann es Ihnen nicht sagen.
- Wie war denn das genau? Wie hat man Sie entführt?
- Ich will das gar nicht erzählen.
Er hält beide Hände vors Gesicht.
- Aber wenn Sie wollen, daß ich etwas darüber schreibe, müssen Sie es mir erzählen.
- Der Junge sollte zur Gitarrestunde kommen.
- Wie alt ist denn der Junge?
- 20, damals war er 16. Er ist mit noch einem Freund gekommen. Sie haben mich gefesselt und links und rechts gepackt und gesagt, wir bringen deine Mutter um, wenn du nicht mitkommst. Dann haben sie mich in ein Auto gestoßen und in eine Wohnung gebracht im 13. Stock. Im Norden in Altufjewo war das. Sie haben mich gezwungen, ein Papier zu unterschreiben, daß ich die Wohnung verkaufe. Jeden Tag haben sie gedroht, meine Mutter umzubringen. Zwölf Tage haben sie mich festgehalten. Ich will das gar nicht erzählen. Der Junge ist jetzt verschwunden. Sein Vater weiß auch nicht, wo er ist.
- Und der andere Junge?
- Der ist auch verschwunden.
- Ist der auch so jung?
- Nein, der war älter. Der war Mitte zwanzig, vielleicht 23.