ISBN 9783707606263 (Neuauflage 2018, Czernin Verlag)
»Clautschi« wächst in der Nachkriegszeit in Wien auf, zusammen
mit ihrer älteren Schwester und ihrer Mutter, einer Psychoanalytikerin
der ersten Stunde und Kommunistin jüdischer Herkunft. Sie ist hin und hergerissen zwischen dem Stolz auf die intellektuelle, »bessere« Herkunft einer anerkannten und bewunderten »Frau Doktor« und der traurigen Realität einer völlig überforderten Mutter.
Das Kind darf weder in einen Kinder garten, noch mit anderen Kindern spielen, muss mit ihrer Schwester häusliche Aufgaben erledigen, für die beide noch zu klein sind, versinkt mit ihrer Familie im Schmutz und ist den Erzählungen der Mutter über ihre Arbeit, oft sexueller Natur, schutzlos ausgeliefert.
Claudia Erdheim erzählt ihre Geschichte aus der Sicht des Kindes aus der Erinnerung der erwachsenen Frau. Entstanden ist ein beeindruckendes Porträt einer Zeit, einer Stadt und ein er ganzen Generation. Ihr Romandebüt ist absolut wert, wiederentdeckt zu werden.
»Ihr geht nicht baden, das kommt überhaupt nicht in Frage! Macht, was ihr wollt. Du kommst jetzt nach Hause, du übernachtest nicht bei der Elsa! Ich will das nicht; mach, was du willst. Das ist meine Wohnung. Das Zimmer bleibt abgesperrt. Der Schreibtisch wird nicht ausgeräumt, weil ich nicht will. Das Klavier bleibt, wo es ist; das wird nicht verkauft. Das Schüsserl kannst du doch nicht zum Malen verwenden! Du bist ja wahnsinnig geworden! Da kann man doch nicht mehr draus essen! Ihr seid wohl von allen guten Geistern verlassen!«
Durch den zeitlichen Abstand, aus dem heraus sich Claudia Erdheim in »Bist du wahnsinnig geworden?« an die eigene Kindheit in den 50er- Jahren erinnert, und die vollkommen nüchterne, unsentimentale Schilderung des erzählenden Kindes ist dieser Coming-of-Age-Roman be- sonders eindrücklich. Eine ganze Generation, geprägt von der unverarbeiteten jüngsten Kriegsvergangenheit, wird sich in diesem unprätentiösen Bericht wieder nden.