Im Crocodile anzurufen hat gar keinen Sinn. Da kriegt er für heute abend sicher keinen Tisch mehr. Macht nichts. Das kennt er eh schon. Es gibt ja auch noch andere interessante Restaurants in Straßburg. Mal im Michelin nachschauen. Wie wär's denn mit dem Buerehiesel. Das hat zwar nur einen Stern. Dafür soll es sehr schön liegen. Im Park der Orangerie. Das schaut er sich jetzt einmal an. Er ruft gleich an und bestellt einen Tisch. Das hat geklappt. Er nimmt natürlich das große Menü. Tu fest essen, Karli, hat seine Oma immer gesagt. Essen, lernen, ausruhen, essen, schlafen. Die Alte hat ein einfaches, aber klares Weltbild gehabt. Jetzt war er so fleißig und hat so einen schönen Vortrag gehalten. Jetzt gönnt er sich was. Das darf er schon. Was soll er denn für einen Wein nehmen. Zum Fisch natürlich einen Elsässer Riesling. Zu den Rehnüßchen nimmt er einen Bordeaux. In Frankreich gibt es keine halben Flaschen. Aber es muß ein weißer und ein roter sein. Macht nichts. Das wird ihn heiter stimmen. Lachstartar. Mhm. Gar nicht so übel. Frisch, ein Hauch von Meer. Vielleicht eine Spur zu sauer. Der Wein ist vorzüglich. Rassig, fruchtig, mit dezenter Blume. Streng genommen hätte sich eher ein weißer Burgunder gehört. Ein bißchen zu viel Limone ist im Tartar. Oder bildet er sich das nur ein? Seezunge in Gurkensauce. Die Sauce ist originell; samtig; der Fisch gerade richtig in der Konsistenz. Wieso haben die nur einen Stern? Bis jetzt kann er nicht sagen, daß das Essen hier schlechter ist als beim Witzigmann. Was ist das für ein Fleisch? Das kennt er gar nicht. Das muß irgendein Vogel sein. Da muß er zu Hause nachlesen. Schmeckt sehr apart. Die Bedienung läßt aber zu Wünschen übrig. Im Crocodile ging das Schlag auf Schlag. Was ist denn mit der Kellnerin los? Das Sorbet ist nicht besonders bemerkenswert. Die Rehnüßchen sind tadellos. Innen noch rosa, fast blutig. Wirklich nicht schlechter als beim Witzigmann. Die Sauce ist etwas dünn; beim Witzigmann ist sie voller; er bindet sie auch mit Gänseleber; vielleicht ist das so besser? Der Bordeaux ist subtil; aber ist er nicht zu jung? Einen wirklich alten Bordeaux kann man sich ja gar nicht leisten. Wie wohl ein 45-er Latour schmeckt? Wenn er einen Ruf kriegt, wird er einen trinken. Dann ist er ja Beamter auf Lebenszeit. Vielleicht haben sie nicht so ein großes Repertoir, daß sie nur einen Stern haben. Die Kellnerin läßt sich wieder ganz schön Zeit. Das kann doch nicht wahr sein. Seine Stirn umwölkt sich. Er hat sich doch nicht getäuscht. Sie stinkt wirklich penetrant nach Schweiß. Das ist stark. Die Käseplatte ist wie immer wunderbar. In Frankreich gibt es noch einen Dessertwagen. Himbeersorbet, Brombeersorbet - göttlich - weiße Schokoladetorte. Noch ein Nachschlag vom Sorbet. Kaffee, Cognac, Zigarre. Jetzt wird's behaglich. Er sollte bezahlen und langsam ins Hotel fahren.