Lüge und Wahrheit

Textprobe

Hannah Arendt, vor allem bekannt durch ihr umstrittenes Eichmann-Buch¹, nach dem Krieg in Deutschland eine gefragte Vortragende, Lessing- und Sigmund-Freud-Preisträgerin, ist heute nicht nur für Frauen eine unantastbare Kultfigur. Es gibt unzählige Hannah-Arendt-Plätze, Straßen, Zitate im öffentlichen Raum, sogar ein ICE-Zug ist nach ihr benannt. Andererseits wird sie aber auch wegen des Eichmann-Buches heftig kritisiert, was von ihren AnhängerInnen im Allgemeinen ignoriert und aus Unkenntnis und mangelnder Reflexion nicht kritisch hinterfragt wird, obwohl ausgiebig darüber diskutiert worden ist.

In diesem Essay soll es nicht um das Eichmann-Buch gehen, auch nicht um Arendts Philosophie oder ihre politologischen Schriften. Ich möchte mich mit der rätselhaften Liebe Hannah Arendts zu Martin Heidegger beschäftigen. Diese Liebesgeschichte wird allgemein nicht sehr beachtet, eher als ein Ereignis in Arendts Leben, das man mal ein bisschen sensationsgierig, mal verwundert allenfalls als bedenklich zur Kenntnis nimmt. Eine Ausnahme ist Elżbieta Ettingers Buch² , das versucht, den psychologischen Tiefen dieser Liebesbeziehung auf den Grund zu gehen. Ettinger wird jedoch von den Arendt-Fans als eine Art Nestbeschmutzerin angesehen. Ursula Lutz zum Beispiel diffamiert im Nachwort zum Briefwechsel³ zwischen Martin Heidegger und Hannah Arendt Ettingers Buch sogar als Pamphlet. Als ob Hannah Arendt eine Heilige sei oder zu sein habe.

 

¹ Arendt, Hannah, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen. Piper, München 1964.

 

² Ettinger, Elżbieta, Hanna Arendt Martin Heidegger. Eine Geschichte, Serie Piper, München 1994.

 

³ Arendt, Hannah/Heidegger, Martin, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. Aus den Nachlässen hg. von Ursula Lutz, Klostermann, Frankfurt/Main, 2002.