So eine schöne Liebe

Rezensionen

Peinlich genaues Liebesjahr

Susanne Zobl, Der Standard 15.12.1995

 

Eines Tages beschließt sie Eugen zu verführen. "Das kam ganz plötzlich und mußte sofort sein. Sie konnte das keinen Tag länger als nötig mehr aufschieben."

Sie, Sophie Reuter, ist siebenundvierzig, verheiratet, unterrichtet Programmieren an der Universität Wien und schreibt Romane.

Er, Eugen Berg ist Deutscher, "fünfzig und Professor für Mineralogie, eigentlich Kristallographie ... Die Pez hat er immer mit einer Pezmaschine mit einem Donald-Duck-Kopf drauf angeboten". Er ist die Unschuld in Person, mit dreißig hat er geheiratet und ist Vater einer Tochter. Was dabei herauskommt, wenn zwei Personen in den mittleren Jahren aufeinanderprallen, ist, wie der Titel sagt, So eine schöne Liebe.

Peinlich genau, ohne indes peinlich zu werden, führt sie Protokoll über Beginnn, Höhepunkte und das Ende einer Beziehung, das wohl oder übel schon vorprogrammiert scheint. Die Vorbedingungen für eine klassische Affaire sind ideal: Sophies Mann hat einen Lehrauftrag im Ausland angenommen. Eugen fühlt sich natürlich von seiner eigenen Frau unverstanden.

Obwohl nach allen Regeln der Kunst geliebt, gegessen, gestritten wird, geht dieses Liebesjahr nicht ganz ohne Spannung für den Leser ab.

 

Emotionelle Zeitreise

In rasantem Tempo treibt die Erzählerin ihre Geschichte voran, indes übersieht sie dabei eines, sie hat den falschen Gang eingelegt. Der Rückwärtsgang katapultiert die beiden Helden später Liebe gnadenlos in die Zeit ihrer Pubertät zurück.

So eine Fahrt geht nur so lange gut, solange sich beide Partner auf gleicher Höhe befinden. Sobald aber einer den anderen überholt, werden sie zu Kontrahenten.

Da Eugen offensichtlich auch noch eine andere starke Antriebsfeder hat, nämlich seine Midlife-crisis, nimmt es nicht wunder, daß für ihn nur noch eines zählt, die Profilierung seiner männlichen Potenz.

"Ich emanzipiere mich jetzt". Derlei Sätze stammen nicht von Sophie, sondern gehören zu Eugens Standardreden. Sie verläßt ihren Mann, ohne großes Aufheben davon zu machen denn ihre Liebe gilt allein Eugen, doch sein Ziel ist offensichtlich eine andere Kollegin. Wen wundert's, wenn seine anfänglichen Liebesbeteuerungen in Gemeinheiten umschlagen?

 

Woody-Allen-Anklänge

Eine der Stärken dieses Romans ist die knappe, fast hektisch anmutende Dialogführung. Die Harmlosigkeit, mit der Alltägliches diskutiert wird, wie etwa die Wahl des richtigen Essigs für den Salat, muten fast wie aus einem Woody-Allen-Film an.

In einfachen Sätzen zeichnet Erdheim das Psychogramm einer reiferen Frau. Was anfänglich wie ein lockerer Liebesroman anmutet, entpuppt sich als sadomasochistische Tragödie. Männliches Kalkül feiert bei Erdheim Triumphe. Ohne Mitleid geht sie mit ihrer Heldin um, treibt sie bis ans "Ende", wo diese nur noch einen Brief nach dem anderen an ihren Eugen schreiben kann.

Der entrückt indem immer mehr zum fernen, unbestimmten Du. Wenn er aber dann doch wider Erwarten zu einem ihrer Briefe Stellung nimmt, geschieht dies nicht ohne gezielten, destruktiven Untergriff: "Hallo Sopherl. Ich hab deinen Brief bekommen. Du schreibst immer dasselbe. Du bist stereotyp. Ich muß jetzt die Vorlesung vorbereiten ... Tschüß."

Nur allzu leicht läßt sich der Leser von derlei Vorwürfen zu der Frage verleiten, ob vielleicht nicht nur die Heldin, sondern sogar die Autorin selbst zum Opfer der ewigen Wiederkehr des Gleichen geworden ist, doch gehört dies wohl zum poetischen Prinzip eines Romans, der sich mit der Wiederholung Immergleichen auseinandersetzt.

 


Qual in der Kiste

Robert Schediwy, 13. 10. 1995

 

"So eine schöne Liebe": Ein derartiger Buchtitel kann natürlich nur bnitter ironisch gemeint sein, speziell, wenn die Autorin Claudia Erdheim heißt. Sophie Reuter, Lektorin für EDV, und Eugen Berg, Professor für Mineralogie, entbrennen zwar in Leidenschaft zueinander und stellen, obwohl schon um die 50, beachtliche sexualathletische Höchstleistungen auf. Sohie interessiert sich allerdings kaum für Eugens Steine und Eugen findet Sohies Kleidung unelegant und ihre Romane zynisch. Außerdem kann Sophie Eugens Vorliebe für Nudeln mit Salat nicht recht teilen und wird durch seine Marotte genervt, beim Reden während eines Spaziergangs immer wieder stehenzubleiben.

Eugen wiederum , der gern mit seiner relativen sexuellen Unerfahrenheit kokettiert, ist zwar eifersüchtig, aber auch "verführerisch" durch andere Frauen und quält die monogame Sophie mit echten oder erfundenen Rivalinnen. Mit der wirklichen Zuwendung zum Du scheint es bei beiden nicht allzu weit her zu sein. Es geht offenbar mehr um die Sehnsucht nach dem Geliebtwerden als ums Selberlieben - "fast wie im wirklichen Leben". Die Beziehungskiste erweist sich jedenfalls wieder einmal als Büchse der Pandora.

Manchmal möchte man den unglückseligen Protagonisten Ermahnungen aus früheren Erdheim-Romanen mitgeben. Eugen hat etwa zweifellos "Angst vor Nähe", und Sophie "klammert", um es in der Terminologie der "Herzbrüche", Erdheims köstlichem Buch aus der "Therapieszene", zu sagen.

Vielleicht hat die offenkundige autobiographische Grundlage dieses Buches der Autorin ein wenig sehr zugesetzt. Ihre gewohnte selbstironische Distanz und die entlarvende Schärfe ihrer dialogischen Telegrammprosa wirken vom Leidensdruck etwas mitgenommen. Trotzdem ein interessantes Buch - und den Lokalpatrioten freut der unverkennbar Wien-Hintergrund.